„Nichtschülerprüfungen“ für Schüler an genehmigten Ersatzschulen

Privatschulen, die als Ersatzschulen genehmigt sind, aber nicht die staatliche Anerkennung besitzen, können keine Abschlussprüfungen durchführen und keine Abschlüsse verleihen. Das liegt daran, dass Schulabschlüsse zum staatlichen Berechtigungswesen gehören und die Bundesländer in eigener Verantwortung darüber entscheiden, wer dieses ausüben darf. Mit der im Grundgesetz geregelten Schulgenehmigung ist also nicht automatisch das Recht verbunden, Berechtigungen in Form von Abschlusszeugnissen auszugeben.

Für „nur genehmigte“ Schulen in freier Trägerschaft, die eine Anerkennung wegen der damit verbundenen zusätzlichen Anforderungen nicht anstreben, ist das problematisch. Denn wenn Eltern ihr Kind an einer Schule anmelden, erwarten sie in der Regel, dass der eingeschlagene Bildungsweg am Ende zu einem Schulabschluss führt. Wäre es für Privatschüler nicht möglich, einen Abschluss zu erwerben, würde das Recht, Schulen zu gründen und zu betreiben, faktisch leer laufen. Wohl nur sehr wenige Eltern würden solche Schulen überhaupt in Betracht ziehen.

Um Abhilfe zu schaffen, sind in den Bundesländern sog. „Nichtschülerprüfungen“ vorgesehen (auch Schulfremdenprüfung oder Externenprüfung genannt). Dabei können sich Personen, die keine staatliche (oder staatlich anerkannte) Schule besucht haben, einer Abschlussprüfung unterziehen. Die Prüfungen finden in der Regel in den Räumlichkeiten einer öffentlichen Schule oder vor einer besonderen Prüfungskommission statt.

Newsletter Privatschulrecht

Möchtest du regelmäßig über die neuesten Entwicklungen im Privatschulrecht informiert werden? Dann abonniere unseren Newsletter Privatschulrecht.
Mit der Anmeldung akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

Ob Nichtschülerprüfungen angeboten werden, steht aber nicht im Belieben der Bundesländer. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in einem Beschluss aus dem Jahr 1969 klargestellt, dass solche Prüfungen angeboten werden müssen, weil der Staat andernfalls die Privatschulfreiheit verletzt:

„Allerdings ist es eine wesentliche Aufgabe der Schule, zu den Berechtigungen hinzuführen. Es würde deshalb gegen Art. 7 Abs. 4 GG verstoßen, wenn der Staat den Schülern von Ersatzschulen den Weg zu den Berechtigungen versperren würde. […] Von hier aus bedeutet es auch keine verfassungswidrige Zurückdrängung der nicht anerkannten Ersatzschulen, wenn ihren Schülern die Berechtigungen grundsätzlich erst verliehen werden, nachdem sie eine entsprechende Prüfung vor einer staatlichen Prüfungskommission an einer öffentlichen Schule abgelegt haben.“

BVerfGE 27, 195 (206 f.)

Daraus folgt, dass alle Schulabschlüsse, zu denen Ersatzschulen „hinführen“, im Wege der Nichtschülerprüfung erworben werden können müssen. Da eine Ersatzschule immer für eine bestimmte, nach dem Landesrecht grundsätzlich vorgesehene Schulform genehmigt wird (z.B. Realschule, Gymnasium), muss es für deren Schüler möglich sein, sich am Ende ihrer Schulzeit für die entsprechende Abschlussprüfung anzumelden.

Gesetze und Rechtsverordnungen, die dieses Recht einschränken, sind wegen Verstoß gegen das Grundgesetz nichtig. Die Nichtigkeit muss allerdings durch ein Gericht (im Falle eines Gesetzes: Das Bundesverfassungsgericht) festgestellt werden.

Rechtsanwalt Linus Junginger

Linus Junginger

Rechtsanwalt
Zertifizierter Stiftungsberater (DSA)
junginger@vielwerth-junginger.de (+49) 6131 88888 99

Wie kann ich dir helfen?

Ich freue mich über deine Nachricht und antworte normalerweise innerhalb von 24 Stunden.
Jetzt kostenlosen Kennenlern-Termin buchen
oder





    Weitere Artikel

    Privatschulrecht

    Privatschulrecht: Beratung für Schulträger und Gründungsinitiativen

    Das Recht, Schulen in freier Trägerschaft zu gründen, wird durch das Grundgesetz gewährleistet. Das Privatschulrecht regelt den Schulbetrieb und die Rechtsbeziehungen zwischen Schule, Eltern und Schülern.
    weiterlesen
    Gründung und Genehmigung einer Ersatzschule

    Gründung und Genehmigung einer Ersatzschule

    Durch den Besuch einer Ersatzschule können Schülerinnen und Schüler ihre Schulpflicht wie an einer staatlichen Regelschule erfüllen. Das unterscheidet sie von einer Ergänzungsschule, die das staatliche Angebot nur erweitert. Die Voraussetzungen für die Gründung einer Ersatzschule sind durch das Grundgesetz vorgegeben und werden durch das Landesrecht konkretisiert.
    weiterlesen
    Unterrichtsgenehmigung für Lehrerinnen und Lehrer an Privatschulen

    Unterrichtsgenehmigung für Lehrerinnen und Lehrer an Privatschulen

    Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen), die als Ersatzschulen zugelassen sind, müssen nachweisen, dass ihre Lehrkräfte hinreichend qualifiziert sind. In den meisten Bundesländern steht die Lehrtätigkeit unter dem Vorbehalt der Einzelgenehmigung. Das bedeutet, dass für jede Lehrkraft eine eigene Unterrichtsgenehmigung beantragt werden muss.
    weiterlesen

    Blogartikel zum Thema

    VGH München: Keine Schulgenehmigung bei nur passiver Rolle von Lernbegleitern

    VGH München: Keine Schulgenehmigung bei nur passiver Rolle von Lernbegleitern

    9. Januar 2024
    Der bayerische Verwaltungsgerichtshof glaubt nicht, dass sich mit einem Konzept größtmöglicher Eigenverantwortung von Schülern die Ziele des staatlichen Lehrplans erreichen lassen. Nach jahrelangen Prozess ist deshalb der Trägerverein einer freien Schule im Berufungsverfahren an dem Ziel gescheitert, seine Genehmigung wiederzuerlangen.
    weiterlesen
    Schulschließung in Lübeck: Müssen Privatschulen die Schulpflicht durchsetzen?

    Schulschließung in Lübeck: Müssen Privatschulen die Schulpflicht durchsetzen?

    7. August 2023
    Wie müssen private Ersatzschulen reagieren, wenn ihre Schülerinnen und Schüler dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben? Der Fall der "Freien Dorfschule Lübeck" zeigt, dass Schulträger auf verschiedene Arten verantwortlich gemacht werden können.
    weiterlesen
    Keine staatliche Finanzhilfe für therapeutisches Reiten

    Keine staatliche Finanzhilfe für therapeutisches Reiten an privaten Förderschulen

    3. August 2023
    Das Verwaltungsgericht des Saarlandes bestätigt die Entscheidung des Landes: Private Förderschulen erhalten keine Kostenerstattung für Reittherapie, da diese kein "üblicher Unterricht" sei. Eine Verletzung von Gleichheitsgebot und Privatschulfreiheit sieht das Gericht ebenfalls nicht.
    weiterlesen