Dachverband vs. Gesamtverein – wo liegen die Unterschiede?

Wer einen Verband neu gründet oder strukturell umgestalten möchte, stößt früher oder später auf eine zentrale Frage: Wie soll die Organisation aufgebaut sein? Eine wesentliche Unterscheidung erfolgt zwischen Dachverband und Gesamtverein mit Zweigvereinen. Beide Strukturen bündeln weitgehend selbstständige Einheiten unter einem organisatorischen Dach – doch sie unterscheiden sich in einigen entscheidenden Punkten.

Was ist ein Gesamtverein?

Ein Gesamtverein besteht aus einem Zentralverein, der über sogenannte Zweigvereine organisiert ist. Diese sind rechtlich selbstständige (eingetragene oder nicht eingetragene) Vereine, deren Mitglieder zugleich auch Mitglieder des Zentralvereins sind – man spricht von einer gestuften Mehrfachmitgliedschaft.

Die Vereinszwecke müssen sich in einem Gesamtverein decken. Das hat auch das OLG Karlsruhe im April 2025 noch einmal betont: Wenn der Zweck des Zentralvereins von dem der Zweigvereine abweicht, kann dies ein Eintragungshindernis darstellen. Für gemeinnützige Gesamtvereine ist das besonders relevant: Unklare oder nicht deckungsgleiche Satzungszwecke können zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen, etwa wenn der Gesamtverein andere steuerlich begünstigte Zwecke verfolgt als die Zweigvereine.

Was ist ein Dachverband?

Ein Dachverband ist ein Zusammenschluss rechtlich selbstständiger Vereine (oder anderer Körperschaften), die selbst Mitglied des Dachverbands werden. Es gibt also keine gestufte Mitgliedschaft einzelner Personen, sondern eine Mitgliedschaft auf institutioneller Ebene.

Die Mitgliedsvereine bleiben in ihrer inneren Organisation unabhängig. Der Dachverband koordiniert gemeinsame Interessen, ohne unmittelbar auf die Satzung oder Arbeit seiner Mitglieder einzuwirken.

Gemeinnützigkeitsrechtlich ist das Dachverbandsmodell oft einfacher handhabbar: Die einzelnen Vereine behalten ihre eigene Gemeinnützigkeit und müssen lediglich darauf achten, dass der übergeordnete Dachverband keine Tätigkeiten entfaltet, die gegen die steuerlichen Anforderungen verstoßen. Eine unmittelbare Verbindung über Mittelweitergabe oder Weisungsrechte sollte klar geregelt sein.

Wesentliche Unterschiede im Überblick

MerkmalGesamtvereinDachverband
MitgliedschaftEinzelpersonen sind Mitglied in Zentral- und ZweigvereinVereine sind Mitglied im Dachverband
SatzungszweckDeckungsgleichheit erforderlichZweckähnlichkeit genügt
Rechtliche VerknüpfungEng (über Mehrfachmitgliedschaft)Locker (Beitritt auf Organisationsebene)
Typische EinsatzbereicheSportvereine, Wohlfahrtsverbände, OrtsgruppenFachverbände, politische oder Berufsverbände
Eintragung beim RegistergerichtHohe Anforderungen bei abweichenden ZweckenRechtlich unproblematisch
GemeinnützigkeitsrechtlichHoher Abstimmungsbedarf, klare Zweckbindung nötigUnabhängigkeit der Mitgliedsvereine bleibt erhalten

Wann eignet sich welches Modell?

Der Gesamtverein eignet sich, wenn eine einheitliche Struktur mit enger organisatorischer Steuerung gewünscht ist. Gemeinnützige Gesamtvereine sollten aber besonders sorgfältig auf synchronisierte Satzungszwecke und saubere Mittelverwendung achten, um steuerliche Risiken zu vermeiden.

Der Dachverband ist dann sinnvoll, wenn es vor allem um Koordination, Interessenvertretung und Vernetzung eigenständiger Vereine geht. In diesem Modell bleiben die Mitgliedsvereine selbstständig und behalten ihre eigene Gemeinnützigkeit, was auch den administrativen Aufwand senkt.

Fazit

Die Entscheidung zwischen Dachverband und Gesamtverein sollte gut durchdacht sein – insbesondere bei Gründungen oder Umstrukturierungen. Beide Modelle sind rechtlich möglich, aber sie bringen unterschiedliche Anforderungen und Gestaltungsspielräume mit sich. Besonders beim Gesamtverein ist auf die deckungsgleichen Satzungszwecke zu achten.

Das aktuelle Urteil des OLG Karlsruhe zeigt exemplarisch, dass formale Strukturen entscheidend sind: Eine Registereintragung scheitert, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind – und bei gemeinnützigen Vereinen drohen zudem steuerliche Konsequenzen.

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Rechtsanwälte Alexander Vielwerth und Linus Junginger

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