Um was ging es in dem Fall?
Eine Schülerin hatte mit einer Sprachschule einen Vertrag über Englisch-Einzelunterricht geschlossen. Dieser war durch eine Mindestlaufzeit von einem Jahr befristet und sollte sich nach deren Ablauf automatisch verlängern. Als es zwischen den Vertragsparteien zu Unstimmigkeiten gekommen war, wollte die Sprachschülerin den Unterrichtsvertrag vor Ablauf der Mindestlaufzeit kündigen. Die Schule klagte vor dem Landgericht (LG) Wuppertal erfolgreich auf die ausstehende Vergütung für ein knappes Jahr. Die Richter waren der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam sei. Hiergegen legte die Schülerin Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein.
Wie entschied das Gericht?
Das OLG schloss sich der Argumentation des LG an und hielt die Kündigung für unwirksam. Es liege weder ein wichtiger Grund zur Kündigung (§ 626 BGB) vor, noch bestünde ein Sonderkündigungsrecht wegen einer besonderen Vertrauensstellung der Sprachschule bzw. des Lehrers (§ 627 BGB).
Kündigungsrecht bei „Diensten höherer Art“ wegen Vertrauensstellung
Bei „Diensten höherer Art“ gewährt das BGB beiden Parteien eines Dienstvertrags ein Sonderkündigungsrecht (§ 627 BGB). Dienste höherer Art sind solche, bei der der Dienstverpflichtete eine besondere Vertrauensstellung innehat und für die Aufgabe besonders qualifiziert ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei solchen Diensten ein Festhalten am Vertrag gegen den Willen einer Partei nicht zumutbar ist. Beispiele sind etwa Verträge mit Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern oder auch Privatlehrern.
Keine Dienste höherer Art bei Privatschulen – auch nicht bei Einzelunterricht
Da es sich jedoch nicht um einen Privatlehrer, sondern um einen angestellten Lehrer einer Privatschule handelte, nahm das OLG keine „Dienste höherer Art“ an. Zur Begründung verwies das Gericht auf ein Urteil des OLG Köln aus dem Jahr 2020. Darin wurde eine besondere Vertrauensstellung der Privatschule gegenüber dem Schüler abgelehnt, da der Ausführung des Vertrags keine persönliche Beziehung zwischen Schüler und Lehrer zugrunde lag. Die Beschulung sollte nicht durch einen bestimmten Lehrer oder eine bestimmte Gruppe von Lehrern erfolgen. Auch zum Schulträger als juristische Person bestand kein besonderes Vertrauensverhältnis.
Im vorliegenden Fall wurde zwar Einzelunterricht erteilt, dennoch wurde kein Unterricht durch einen bestimmten Lehrer zugesichert: Die Sprachschule hatte die Möglichkeit, Unterricht durch einen Ersatzlehrer anzubieten.
Was bedeutet die Entscheidung für Privatschulen?
Der Beschluss des OLG zeigt erneut, dass Schulverträge – auch bei sog. Ergänzungsschulen – in der Regel nicht ohne Voraussetzungen gekündigt werden können. Ist eine Mindestlaufzeit vereinbart oder wird diese aufgrund der Umstände angenommen (z.B. Laufzeit bis zum Ende eines bestimmten Bildungsganges) können sich Schule und Schüler nur über ein vertraglich vereinbartes Kündigungsrecht oder über eine Kündigung aus wichtigem Grund (in der Regel: Pflichtverletzung der anderen Partei) vom Vertrag lösen. Hierauf sollten Privatschulen bei der Gestaltung ihrer Schulverträge besonders achten.
Entscheidung: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juli 2022 – I-24 U 45/21