Um was ging es in dem Fall?
Die Republik Griechenland betreibt in Bayern seit 1996 eine private Volksschule, die damals für Kinder griechischer Gastarbeiter und andere griechische Staatsangehörige gegründet wurde. Im Zuge der Euro-Krise wurden in Griechenland im Jahr 2012 Notstandsgesetze erlassen, die einen generellen Einstellungsstopp für Lehrkräfte bewirkte. Unbesetzte Lehrerstellen konnten an der Schule deshalb nicht nachbesetzt werden. Auch verbeamtete Lehrkräfte konnten nicht einfachnach Deutschland abgeordnet werden, da diese Verfahren sich wegen Anfechtungen der Abordnungen stark verzögerten.
Griechenland verliert vor dem Verwaltungsgericht und legt Berufung ein
Im Jahr 2018 erließ die Regierung von Mittelfranken einen Bescheid, in dem sie die zu geringe Zahl an Lehrkräften an der griechischen Volksschule formal beanstandete. Hiergegen klagte die Republik Griechenland erfolglos vor dem Verwaltungsgericht (VG) Ansbach und legte anschließend gegen das Urteil Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) ein.
Wie entschied der Verwaltungsgerichtshof?
Der BayVGH hob das Urteil des VG auf und entschied, dass der Bescheid aus dem Jahr 2018 rechtswidrig war. Die Schulaufsichtsbehörde hatte nämlich beim Erlass von Maßnahmen der Schulaufsicht einen Ermessensspielraum. Dieser besteht aus einem Entschließungsermessen (ob die Behörde überhaupt handelt) und einem Auswahlermessen (welche von mehreren möglichen Maßnahmen die Behörde trifft). Das Ermessen darf nicht völlig frei ausgeübt werden, sondern unterliegt gewissen Grenzen, die gerichtlich überprüfbar sind. So hat eine Behörde beispielsweise ihr Ermessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszuüben.
Schulaufsichtsbehörde hätte sich mit Ursachen für Lehrermangel auseinandersetzen müssen
Im vorliegenden Fall kam der BayVGH zu dem Ergebnis, dass die Beanstandung unverhältnismäßig war und bereits das Entschließungsermessen nicht richtig ausgeübt wurde. Die Behörde hatte sich nämlich nicht argumentativ damit auseinandergesetzt, dass aufgrund des griechischen Einstellungsstopps für die Schule keine Möglichkeit bestand, mehr Lehrkräfte einzustellen. Zudem sei der Lehrermangel bereits im darauffolgenden Schuljahr fast vollständig behoben worden.
Darüber hinaus war das Gericht der Meinung, dass das Thema des Lehrkräftemangels in der „Gemischten bilateralen Kommission für die privaten Volksschulen der Republik Griechenland in Bayern“ hätte besprochen werden müssen, bevor schulaufsichtliche Maßnahmen erlassen werden. Die Kommission sei ansonsten in Fragen des Schulbetriebs eingeschaltet worden, hier habe die Schulbehörde dies jedoch zur Problemlösung zu Unrecht nicht in Betracht gezogen.
Keine Staatenimmunität bei Betrieb einer privaten Ersatzschule
Der BayVGH bestätigte allerdings das VG in einem Punkt: Die Republik Griechenland kann sich gegenüber den bayerischen Schulbehörden nicht auf die sog. Staatenimmunität berufen. Dieser völkerrechtliche Grundsatz besagt, dass Staaten sich im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit nicht vor den Gerichten anderer Staaten verantworten müssen, also nicht verklagt werden können. Die Verwaltungsgerichte kamen jedoch zu der Auffassung, dass der Betrieb einer Ersatzschule in Deutschland keine hoheitliche Tätigkeit ist, sondern aus dem Grundrecht der Privatschulfreiheit (Art. 7 Abs. 4 GG) folgt. Als Schulträger wird ein anderer Staat in Deutschland also genau so behandelt wie eine privatrechtliche Körperschaft.
Was bedeutet das Urteil für Privatschulen?
Auch wenn die meisten Ersatzschulen nicht von Staaten, sondern von Vereinen, gGmbHs und anderen privaten Organisationen betrieben werden, betrifft die Frage der Ermessensausübung sie ebenfalls. Bei Maßnahmen der Schulaufsicht (z.B. auch Widerruf der Schulgenehmigung) haben die Schulbehörden in der Regel einen Ermessensspielraum. Lässt der Bescheid nicht erkennen, dass die Behörde sich auch mit den Gegenargumenten des Schulträgers auseinandergesetzt hat, ist der Verwaltungsakt möglicherweise rechtswidrig und kann im Widerspruchs- oder Klageverfahren angegriffen werden.
Entscheidung: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 20. Oktober 2022 – 7 B 22.8