Ein Schulträgerverein in Bayern betrieb in den Schuljahren 2014/2015 und 2015/2016 eine private Grund- und Mittelschule. In ihrem Konzept orientierte sich die Schule an der Sudbury-Pädagogik, die besonders stark auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation von Schülerinnen und Schülern setzt.
Befristete Schulgenehmigung nicht verlängert
Die Regierung von Oberbayern erteilte zunächst eine befristete Schulgenehmigung, die jedoch nach zwei Schuljahren nicht mehr verlängert wurde. Die Begründung: Die Schule sei in ihren Lehrzielen nicht gleichwertig mit öffentlichen Schulen und erfülle daher nicht die Genehmigungsvoraussetzungen.
Diese behördliche Auffassung wurde auch durch das Verwaltungsgericht (VG) München bestätigt: Das Gericht wies die auf Erteilung der Genehmigung gerichtete Klage ab. Dagegen legte der Verein schließlich Berufung zum bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) ein.
Schulträger scheitert auch im Berufungsverfahren
Aber auch vor dem VGH hatte der Schulträger keinen Erfolg. Das höchste bayerische Verwaltungsgericht wies die Berufung zurück und folgte den Argumenten der Vorinstanz. Im Ergebnis waren die Richter nicht davon überzeugt, dass an der Schule die Mindestbildungsstandards der bayerischen Lehrpläne am Ende der 4. und am Ende der 9. Klasse erreicht werden könnten.
Konzept sieht weitgehende Freiheit und Eigenverantwortung von Schülern vor
Das pädagogische Konzept der Schule orientierte sich am Modell der Sudbury Valley School und betonte als unverzichtbares Element die Eigenverantwortlichkeit der Schülerinnen und Schüler für ihre Bildung und den Wissenserwerb. Lehrkräfte bzw. Lernbegleiter sollten demnach nur auf Anforderung unterstützen, aber nicht proaktiv.
Der Schulträger hatte sich nach mehreren Überarbeitungen in seinem Konzept zu den Inhalten des bayerischen LehrplanPLUS bekannt. Der VGH war davon allerdings nicht überzeugt: Es sei nicht ersichtlich, wie die Schule diese Mindeststandards verbindlich vermitteln und sicherstellen könne, dass ein wesentlicher Teil der Schülerschaft nach 4 bzw. 9 Schuljahren über das erforderliche Wissen verfüge.
Sachverständigengutachten kritisiert Rolle der Lernbegleiter als zu passiv
Seine Einschätzung stützte der VGH vor allem auf das Sachverständigengutachten eines Universitätsprofessors für Schulpädagogik. Dieser kritisierte das pädagogische Konzept des Vereins als nicht ausreichend, um die geforderten Bildungsstandards zu erreichen. Aufgrund der umfassenden Freiwilligkeit sei zu erwarten, dass ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler die Ziele nicht erreichen würde. Sie müssten über „erhebliche Kompetenzen“ verfügen, um auf Basis des Konzepts erfolgreich lernen zu können, was nicht bei allen anzunehmen sei. Für Schüler mit besonderen Lernbedarfen sei es fachlicher Standard, diese als Lehrkraft aktiv durch Rückmeldung oder besondere didaktische Maßnahmen zu unterstützen. Dies sei nicht möglich, wenn Lernbegleiter nur anlassbezogen handeln dürften.
Fehlende Verbindlichkeit bei der Lehrzielerreichung führt häufig zu Versagung der Schulgenehmigung
Auch in der anwaltlichen Praxis zeigt sich immer wieder, dass die Schulbehörden und Verwaltungsgerichte kaum bereit sind, sich auf pädagogische Konzepte einzulassen, die besonders stark auf Eigenverantwortung von Schülerinnen und Schülern setzen. Regelmäßig werden Genehmigungsanträge abgelehnt oder zumindest sehr kritisch geprüft, wenn sie sich an der Pädagogik der Demokratischen Schulen oder Sudbury-Schulen orientieren. Es empfiehlt sich, den Antrag und das pädagogische Konzept von vornherein sorgfältig zu formulieren, um Missverständnisse zu vermeiden.
Schulträger sollten bei schwacher Begründung Klage gegen Ablehnungsbescheid prüfen
Auch wenn im vorliegenden Berufungsverfahren keine Schulgenehmigung erreicht werden konnte, kann in anderen Fällen eine Klage erfolgversprechend sein. Der VGH hat in einem älteren Urteil aus dem Jahr 2009 entschieden, dass die Behörde „ohne ausreichende empirische Belege“ nicht davon ausgehen darf, dass ein auf selbstbestimmtes Lernen ausgerichtetes Schulkonzept nicht umsetzbar sei bzw. die Schüler überfordere. Ein Ablehnungsbescheid bzw. Genehmigungswiderruf ist also immer dann angreifbar, wenn die Behörde in ihrer Begründung Vermutungen und Meinungen äußert, ohne diese mit „gesicherten Erkenntnissen (…) aus der pädagogischen Praxis“ zu untermauern.
Aktenzeichen der Entscheidung: VGH München, Urteil vom 17.08.2023 – 7 B 19.1232