Was ist der historische Hintergrund des Rechtsstreits?
Im Jahr 1909 gründete Ferdinand Graf von Zeppelin eine Stiftung, die die Luftschifffahrt und deren Verwertung für die Wissenschaft fördern sollte. Der Stifter verfügte, dass im Aufsichtsrat der Zeppelin-Stiftung unter anderem sein Schwiegersohn, Alexander Graf von Brandenstein-Zeppelin, sitzen sollte und dass dieser Sitz auf den jeweiligen Namensträger übergehen sollte.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in Deutschland von den Besatzungsmächten die Luftfahrtforschung und der Bau von Luftfahrzeugen verboten. In der französischen Besatzungszone erging 1947 eine Rechtsanordnung, mit der die Zeppelin-Stiftung aufgehoben wurde. Das Vermögen fiel – wie in der Satzung bestimmt – an die Stadt Friedrichshafen zur Verwendung für mildtätige Zwecke.
Gegen die Aufhebung der Stiftung legte der Vorstand (erfolglos) Beschwerde ein. Eine Verfassungsbeschwerde wurde im Jahr 1952 wieder zurückgenommen.
Worum ging es in dem aktuellen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten?
70 Jahre nach der Stiftungsauflösung, also im Jahr 2017, klagten ein Urenkel des Grafen von Zeppelin und sein Sohn vor dem Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen. Dort stellten sie verschiedene Anträge – überwiegend mit dem Ziel, den Fortbestand der Zeppelin-Stiftung und den Anspruch der Kläger auf den Sitz im Aufsichtsrat bestätigen zu lassen.
Aus ihrer Sicht sei die Stiftung nie wirksam aufgehoben worden, weil die Rechtsanordnung von 1947 als vorkonstitutionelles Recht gegen das Grundgesetz verstoße. Als (potenzielle) Aufsichtsratsmitglieder seien sie einerseits in ihren eigenen Rechten betroffen, andererseits könnten sie auch die Rechte der Stiftung im eigenen Namen geltend machen, weil ein vertretungsberechtigter Stiftungsvorstand nicht existiere. Dieses Notklagerecht für sog. Stiftungsinteressierte, also etwa die Nachfahren des Stifters, folge aus der Vergleichbarkeit mit der gesellschaftsrechtlichen „actio pro socio“ (Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft durch einen Gesellschafter gegen einen anderen Gesellschafter).
Verwaltungsgericht weist Klagen ab: Stiftung hätte sich selbst gegen Auflösung wehren müssen
Das VG wies die Klagen ab und begründete dies mit der fehlenden Klage- und Prozessführungsbefugnis der Kläger. Weder als potenzielle Mitglieder eines Organs der Stiftung (Aufsichtsrat) noch als Nachkommen des Stifters hätten sie einen Anspruch auf ein bestimmtes Handeln der Stiftungsaufsicht. Die Stiftung hätte nach der Rechtsanordnung ihre eigene Existenz – vertreten durch ihren Vorstand – gerichtlich verteidigen müssen, was nur teilweise geschehen sei.
Kläger scheitern auch mit Berufung: Kein Notklagerecht für Nachkommen
Die hiergegen eingelegte Berufung der Kläger vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg scheiterte nun ebenfalls: Der entschied, dass die Klagen zu Recht als unzulässig abgewiesen worden waren. Die potenziellen Aufsichtsratsmitglieder könnten keine eigenen Rechte gegenüber der Stiftungsaufsicht geltend machen, da das baden-württembergische Stiftungsrecht solche nicht vorsehe. Die Rechtsaufsicht über Stiftungen bestehe im öffentlichen Interesse und im Interesse der Stiftung, aber nicht für Stiftungsorgane und deren Mitglieder.
Auch die Voraussetzungen für eine Prozessstandschaft (Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen) lägen hier nicht vor, weil es dafür an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Diese könne nur der Gesetzgeber schaffen. Die Situation sei auch nicht mit der „actio pro socio“ vergleichbar, weil es zum einen in der Stiftung keine Mitglieder gäbe, die die Rolle von Gesellschaftern einnehmen könnten. Zum anderen gehe es hier auch um keine stiftungsinterne Streitigkeit, sondern um das Verhältnis der Stiftung bzw. ihrer Organe zur Stiftungsbehörde. Damit lehnte es der VGH auch ab, durch eine weite Auslegung des baden-württembergischen Stiftungsgesetzes oder eine Rechtsfortbildung ein Notklagerecht für Stiftungsinteressierte zu schaffen.
Notvorstand hätte Stiftung vor Gericht vertreten können
Laut VGH wäre der richtige Weg für die Kläger gewesen, zunächst vor dem Amtsgericht die Bestellung eines Notvorstands zu beantragen, wozu sie als Stiftungsinteressierte befugt gewesen wären. Dieser hätte dann im Namen der eventuell noch existierenden Stiftung gegen die Stiftungsaufsicht klagen und ihr Fortbestehen geltend machen können. Diesen Weg hatten die Kläger aber unter anderem deshalb abgelehnt, weil der Notvorstand sich dann möglicherweise gegen den Klageweg entschieden hätte.