Worum ging es in dem Fall?
Ein privater Schulträger betrieb in Sachsen ein berufliches Gymnasium und eine berufsbildende Förderschule. Er war der Meinung, dass die für das Schuljahr 2015/2016 festgesetzte staatliche Finanzhilfe zu niedrig sei und klagte dagegen vor dem Verwaltungsgericht (VG) Chemnitz. Der Träger begründete seine Klage damit, dass die auf Grundlage des Sächsischen Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft berechneten Zuschüsse verfassungswidrig niedrig seien. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, warum in der Berechnungsformel alle berufsbildenden Förderschulen gleich behandelt würden und nicht nach einzelnen Bildungsgängen unterschieden werde.
Schulträger scheitert mit Klage in allen Instanzen
Das VG wies die Klage ab und urteilte, dass die Zuschüsse in einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt worden seien. Der Bestand des Ersatzschulwesens sei durch das Gesetz nicht gefährdet. Auch im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht scheiterte der Schulträger, die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Nachdem der Rechtsweg erschöpft war, erhob er Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof des Freistaats Sachsen.
Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig verworfen
Der Verfassungsgerichtshof bestätigte nicht nur die Entscheidungen der Fachgerichte, sondern verwarf die Verfassungsbeschwerde sogar als unzulässig.
Gerichte prüfen bei Rechtsbehelfen (z.B. Klage oder hier: Verfassungsbeschwerde) deren Zulässigkeit und Begründetheit. Zunächst wird in der Stufe der Zulässigkeit untersucht, ob überhaupt die grundlegenden Voraussetzungen vorliegen, um eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Hier geht es um Themen wie: Ist das Gericht für dieses Verfahren überhaupt zuständig? Ist die Person berechtigt, diesen Rechtsbehelf einzulegen und ist sie überhaupt persönlich betroffen? Erst wenn diese Fragen geklärt sind, beschäftigt sich das Gericht im Rahmen der Begründetheit mit den Argumenten in der Sache, also zum Beispiel ob die Verletzung eines Grundrechts vorliegt.
Verfassungsgerichtshof: Beschwerde unzureichend begründet
In diesem Fall war der Verfassungsgerichtshof der Meinung, dass keine Entscheidung in der Sache geboten war, weil der Schulträger seine Beschwerde nicht ausreichend begründet habe. Er habe weder den zugrunde liegenden Sachverhalt aus sich heraus nachvollziehbar geschildert, noch sich ausreichend mit dem Verfassungsrecht und der hierzu ergangenen Rechtsprechung auseinandergesetzt.
Kaum Erfolg vor den Verfassungsgerichten in Verfahren gegen Höhe der Finanzhilfe
Ob die Verfassungsbeschwerde des Schulträgers im vorliegenden Fall wirklich so schlecht begründet war, lässt sich nur aus der Begründung des Beschlusses schwer beurteilen. In manchen Fällen kann man allerdings den Eindruck gewinnen, dass gerade Verfassungsgerichte aus mehreren Möglichkeiten oft die wählen, mit der eine intensive Auseinandersetzung mit den Sachargumenten vermieden wird.
Der Beschluss des Verfassungsgerichtshof zeigt aber auch, warum es für Schulen in freier Trägerschaft so schwierig ist, die Berechnung der staatlichen Finanzhilfe vor den Verfassungsgerichten anzugreifen. Die Entscheidung steht in einer Linie, die das Bundesverfassungsgericht mit seinen Urteilen zur Privatschulfinanzierung vorgegeben hat.
Finanzhilfeanspruch kann aus staatlicher Schutzpflicht abgeleitet werden
Das Grundgesetz legt den Bundesländern keine ausdrückliche Pflicht auf, Ersatzschulen finanziell zu unterstützen. Vieles spricht dafür, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes einen solchen Finanzhilfeanspruch auch ursprünglich nicht vorgesehen hatten und eine Finanzierung durch ein moderates Schulgeld für ausreichen hielten. Schon bald zeigte sich aber, dass die hohen Genehmigungsanforderungen ohne staatliche Zuschüsse oder eine Verletzung des Sonderungsverbots nicht erfüllt werden konnten. Das Bundesverfassungsgericht erkannte 1987 an, dass der Staat eine aus dem Grundgesetz folgende Schutzpflicht für die Schulen in freier Trägerschaft hat. Er muss handeln, wenn das Ersatzschulwesen insgesamt in seinem Bestand bedroht ist.
Pflicht zur Sicherung des Existenzminimums von Ersatzschulen
Während in dieser Entscheidung noch ausdrücklich offen gelassen wurde, mit welchen Maßnahmen der Staat seiner Schutzpflicht nachkommen kann, liest sich ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 schon deutlicher: Der Staat sei zur finanziellen Förderung von Ersatzschulen verpflichtet, wenn ansonsten des Grundrecht der Privatschulfreiheit kaum noch wahrgenommen werden kann. 2004 urteilte das Gericht schließlich, dass ein Finanzierungsanspruch nur bestehe, wenn ohne eine solche Förderung der Bestand des Ersatzschulwesens evident gefährdet sei.
Anspruch auf staatliche Finanzierung faktisch anerkannt
Die Entscheidung aus dem Jahr 2004 kann je nach Lesart als konsequente Fortführung der bisherigen Rechtsprechung oder als deren Einschränkung betrachtet werden. Die Verwaltungsgerichte werden nicht müde, unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht zu betonen, dass es bei der Frage der Existenzgefährdung nicht auf Notlage der einzelnen Schule ankomme, sondern auf den Bestand des Ersatzschulwesens an sich. Heute dürfte aber nicht mehr umstritten sein, dass Ersatzschulen ohne staatliche Zuschüsse in keinem Bundesland überleben könnten, woraus faktisch ein Anspruch auf staatliche Finanzierung folgt.
Verfassungsgerichte geben Landesgesetzgebern Spielraum bei der Berechnung der Zuschüsse
Wie hoch die Finanzhilfe mindestens sein muss und nach welchem Verfahren sie berechnet werden soll, überlassen die Verfassungsgerichte jedoch weitgehend den Landesgesetzgebern. Für die Vereinbarkeit mit Art. 7 Abs. 4 GG (und den ähnlichen Regelungen zur Privatschulfreiheit in den Landesverfassungen) genügt es, wenn die staatliche Finanzierung die Lebensfähigkeit des Ersatzschulwesens als solche gewährleistet. Dem Gesetzgeber wird dabei ein weitgehender Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zugebilligt. Die Gerichte überprüfen zwar die Vereinbarkeit der Regelungen mit der Privatschulfreiheit, beschränken ihre Kontrolle aber auf einen „prozeduralen“ Grundrechtsschutz. Das bedeutet, dass die staatlichen Leistungen in einem inhaltlich transparenten und sachgerechten Verfahren eingeschätzt werden müssen. Dabei soll es auch zulässig sein, sachlich gebotene Pauschalierungen vorzunehmen. Wurde ein solches Verfahren durchgeführt (z.B. durch statistische Erhebungen zu vergleichbaren öffentlichen Schulen), ist das daraus folgende Ergebnis (also der Betrag, den die Schulen erhalten) der verfassungsgerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen.
Verfahren vor einem Verfassungsgericht ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll
Dass die Verfassungsgerichte sich in der Vergangenheit nur sehr zögerlich und unter Einschränkungen für zuständig für die staatliche Finanzhilfe erklärt haben, führt heute dazu, dass die Parlamente der Bundesländer relativ frei über die Höhe der Zuschüsse entscheiden können. Dabei spielen natürlich nicht nur die Bedürfnisse von Schulen in freier Trägerschaft und deren Schülerschaft eine Rolle, sondern vor allem auch die verfügbaren Haushaltsmittel und politische Erwägungen. Klagen gegen die Höhe der Finanzhilfe ergeben vor allem dann Sinn, wenn die Landesgesetze und -verordnungen bei der Berechnung falsch angewendet wurden. Gegen das Landesgesetz selbst vor einem Verfassungsgericht vorzugehen, dürfte nur in Ausnahmefällen Erfolg versprechen.
Entscheidung im Volltext: Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 19. Januar 2023 – Vf. 106-IV-21