Um was ging es in dem Fall?
Ein Vater hatte gemeinsam mit der Mutter Schulverträge für den Schulbesuch ihrer beiden Kinder an einer freien Waldorfschule geschlossen. Nach der Trennung von der Mutter wollte der Vater das Schulgeld (514 Euro pro Monat) nicht mehr zahlen. Kündigen konnten die Eltern aber nur zusammen, was die Mutter ablehnte. Nachdem beide Elternteile jeweils nur 40 Euro pro Monat gezahlt hatten, klagte der Schulträger gegen den Vater auf Zahlung des Restbetrages. Da die Eltern nach dem Vertrag als Gesamtschuldner hafteten, konnte sich die Schule aussuchen, wen sie in Anspruch nahm.
Beklagter verliert in erster Instanz und muss Schulgeld nachzahlen
Das Landgericht (LG) Frankfurt/Oder entschied zugunsten der klagenden Schule – der beklagte Vater musste über 8000 Euro Schulgeld nachzahlen. Gegen dieses Urteil legte er Berufung beim Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) ein.
Vater: Schulgeld-Klausel nichtig wegen Verstoß gegen Sonderungsverbot
Vor dem OLG argumentierte der Vater unter anderem, die Berechnung des Schulgelds verstoße gegen ein Verbotsgesetz und sei daher nichtig. Aus dem Grundgesetz folge, das an privaten Ersatzschulen eine Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht erfolgen dürfe (Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG). Das sei nur gewährleistet, wenn das monatliche Schulgeld pro Schüler nicht mehr als 70 Euro betrage. Diesen verfassungsrechtlichen Rahmen hätten auch die Zivilgerichte zu beachten.
OLG: Keine unmittelbare Drittwirkung von Genehmigungsvoraussetzungen
Wie bereits das LG war auch das OLG von dieser Argumentation nicht überzeugt. Das Sonderungsverbot sei eine Genehmigungsvoraussetzung für Ersatzschulen und entfalte keine unmittelbare Drittwirkung zwischen Schule und Eltern. Die staatliche Schutzpflicht beziehe Eltern nicht ein. Da die Schulbehörde das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG bereits im Genehmigungsverfahren festgestellt habe, sei dieser Verwaltungsakt auch für die Zivilgerichte als Tatsache bindend.
Kein Verstoß gegen Sonderungsverbot bei Anwendung des Sozialgesetzbuchs
Darüber hinaus war das OLG auch der Meinung, dass das Schulgeldmodell des Schulträgers mit dem Sonderungsverbot vereinbar sei. Ein einheitliches Schulgeld, das auf Antrag bei nicht ausreichendem Vermögen und Einkommen der Eltern erlassen wird, entspreche den Regelungen des Grundgesetzes. Im vorliegenden Fall orientierte sich die Schule bei der Berechnung der Elternbeiträge am Sozialgesetzbuch (SGB II) und verlangte entsprechende Einkommensnachweise von den Eltern. Auch das sei nicht zu beanstanden.
Was bedeutet die Entscheidung für Schulen in freier Trägerschaft?
Das Urteil des OLG führt konsequent die Rechtsprechung zur (un-)mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten fort. Die Voraussetzungen, die Ersatzschulen im Genehmigungsverfahren zu beachten haben, schlagen nicht auf zivilrechtliche Verträge durch. Das bedeutet für Privatschulen Rechtssicherheit: Solange Schulträger bei der Gestaltung ihrer Schulverträge allgemeine Anforderungen wie beispielsweise AGB-Recht beachten, müssen nicht befürchten, dass diese Vereinbarungen vor Gericht für unwirksam erklärt werden.
Dennoch können sich Regelungen des Grundgesetzes zumindest mittelbar auf zivilrechtliche Verträge auswirken, wie eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Lehrkräfte-Bezahlung aus dem Jahr 2015 zeigt: Aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Sicherung der wirtschaftlichen Stellung der Lehrkräfte leitete das Gericht ab, dass eine Vergütung von weniger als 80 Prozent einer vergleichbaren Lehrkraft an einer öffentlichen Schule sittenwidrig und damit unwirksam sei.
Entscheidung: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8. November 2022 – 3 U 110/21