Wann kann einer Ersatzschule die Genehmigung entzogen werden?
Die Voraussetzungen für die Genehmigung einer Ersatzschule ergeben sich aus dem Grundgesetz (Art. 7 Abs. 4 GG). Danach dürfen Privatschulen in
- in ihren Lehrzielen,
- ihren Einrichtungen und
- der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte
nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen. Außerdem darf
- keine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern erfolgen und
- die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Lehrkräfte muss gesichert sein.
Diese Genehmigungsvoraussetzungen sind grundsätzlich abschließend geregelt. Die für die Gesetzgebung im Schulwesen zuständigen Bundesländer dürfen also keine eigenen, schärferen Voraussetzungen schaffen oder auf Voraussetzungen verzichten. Sind sie erfüllt, ist die Schulgenehmigung zu erteilen – liegen sie nicht (mehr) vor, kann die Genehmigung entzogen werden.
Schulgesetz NRW enthält weitere Genehmigungsvoraussetzungen
Allerdings enthalten die (Privat-)Schulgesetze einiger Bundesländer trotzdem weitere Bedingungen, die eine Ersatzschule zum Erhalt der Genehmigung erfüllen muss. Das ist verfassungsrechtlich unproblematisch, wenn es sich nicht um schulrechtliche Besonderheiten handelt, sondern um allgemeine Vorschriften im öffentlichen Interesse, zum Beispiel zur Gefahrenabwehr.
Eine solche allgemeine Gefahrenabwehr-Vorschrift enthält auch das Schulgesetz NRW:
„Eine Ersatzschule darf nur errichten, betreiben oder leiten, wer die Gewähr dafür bietet, dass sie oder er nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt und die persönliche Zuverlässigkeit besitzt.“
§ 101 Abs. 5 S. 1 SchulG NRW
Aufhebung der Schulgenehmigung wegen Fehlverhalten der handelnden Personen
Um die Frage der persönlichen Zuverlässigkeit ging es in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) Münster. Die Bezirksregierung hatte die Genehmigung einer Ersatzschule unter anderem mit der Begründung aufgehoben, dass der Schulleiter und die vertretungsberechtigten Personen des Schulträgers unzuverlässig waren.
Was bedeutet „persönliche Unzuverlässigkeit“?
Der Begriff der persönlichen (Un-)Zuverlässigkeit stammt aus dem Gewerberecht. Unzuverlässig ist eine Person, die nach dem Gesamteindruck ihres Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie ihr Gewerbe (oder hier: Schule) in Zukunft ordnungsgemäß betreiben bzw. leiten wird. Es geht also um das Verhalten der Person und um eine Zukunftsprognose, die sich daraus ergibt.
Zu einem ordnungsgemäßen Betrieb bzw. einer ordnungsgemäßen Leitung einer Privatschule gehört es insbesondere, Gesetze und behördliche Anordnungen zu befolgen. Wer diese Pflicht wiederholt verletzt, besitzt nicht die erforderliche Zuverlässigkeit.
Verantwortliche Personen missachten Corona-Regeln
Der Schulleiter und die für den Schulträger handelnden Personen hatten teilweise selbst gegen Corona-Vorschriften verstoßen, indem sie im Schulgebäude in verschiedenen Situationen auf die Maske verzichteten. Außerdem wurde ihnen vorgeworfen, dass sie nicht gegen die systematische Missachtung dieser Regeln durch Lehrkräfte eingeschrittten waren.
- So soll etwa eine Klasse im Unterricht keine Masken getragen haben und mit ihrer Lehrkraft geheime Klopfzeichen vereinbart haben, um bei einer Kontrolle durch die Behörden schnell die Masken hochzuziehen.
- Eine Lehrkraft sei mit eindeutigen Corona-Symptomen zur Arbeit gekommen, ohne dass dies Konsequenzen gehabt hätte.
- Nachdem die Lehrkraft auf Drängen der Behörde gekündigt wurde, habe sie danach noch Unterricht erteilt und an einer Klassenfahrt teilgenommen, die dann zur privaten Veranstaltung umdeklariert worden sei.
Auf solche Missstände sei der Schulträger immer wieder hingewiesen worden, nach Ansicht des Gerichts wurden aber keine Maßnahmen ergriffen, um Verstöße nachhaltig zu verhindern.
Auch Verletzung von Anzeigepflichten kann Unzuverlässigkeit begründen
Hinzu kam, dass Schulleitung und Schulträger verschiedene meldepflichtige Veränderungen laut Gericht nicht bei der Bezirksregierung angezeigt hatten: So seien zum Beispiel die Jahrgangsstufen 6 bis 8 eingestellt worden und die Schulleitung für ein halbes Jahr auf Personen übertragen worden, die dazu nicht von der Behörde genehmigt worden seien.
Zu wenig Lehrkräfte für gleichwertigen Schulbetrieb
Neben der persönlichen Unzuverlässigkeit begründete das VG die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsentzugs damit, dass die Schule hinsichtlich ihrer Einrichtungen nicht gleichwertig mit öffentlichen Schulen sei: Unter „Einrichtungen“ sei auch die Ausstattung der Schule mit Lehrpersonal zu verstehen. Das sei nicht ausreichend gewesen, da für fünf Klassen nur vier Klassenlehrerinnen vorgesehen seien und in verschiedenen Fächern Lehrkräfte ohne Unterrichtsgenehmigung unterrichteten oder gar kein Unterricht stattfinden konnte.
Volltext der Entscheidung: VG Münster, Beschluss vom 23.09.2022 – 1 L 701/22
Schulen sollten sich frühzeitig vor dem Entzug ihrer Genehmigung schützen
Für Schulen in freier Trägerschaft ist ihre Schulgenehmigung die wichtigste Ressource: Ohne sie kann die Schule nicht weiter betrieben werden. In der Regel geht der Aufhebung der Genehmigung ein langer Austausch mit der Schulbehörde voraus, in dem auf Mängel hingewiesen wird. Bereits in dieser Phase ist es ratsam, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, denn oft beginnt das Aufhebungsverfahren mit unverfänglichen Fragen der Behörde, deren Antwort sich auf die Entscheidung auswirken kann. Gegen die Aufhebung (Widerruf oder Rücknahme) der Schulgenehmigung kann im Widerspruchs- oder Klageverfahren vorgegangen werden. Ist im Aufhebungsbescheid die sofortige Vollziehung angeordnet, sollte auch ein Eilantrag gestellt werden, damit die Ersatzschule vorübergehend weiter betrieben werden kann. Gerne berate ich Ihre Schule hierbei und vertrete Sie vor Behörden und Gerichten.