Fall in der Schweiz löst Diskussion in Deutschland aus
„Reichsbürger gründen Schulen“ meldete kürzlich das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). In dem Artikel geht es um eine Schweizer Privatschule, die im Kanton St. Gallen genehmigt wurde. Sie soll der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung nahestehen und Verbindungen in die Reichsbürgerszene haben. In Deutschland ist bisher keine solche Schule bekannt. Ein Gründungsprojekt in Hamburg aus dem Umfeld der „Querdenken“-Bewegung schaffte es nicht bis zur Genehmigung. Dennoch ist der Tenor des Artikels: Auch in Deutschland ist die Gefahr groß, dass Anhänger rechter Verschwörungstheorien Schulen in freier Trägerschaft gründen. Aber ist das rechtlich überhaupt möglich und welche Mittel haben die Behörden dagegen?
Unterschiedliche staatliche Befugnisse bei Ersatzschulen und Ergänzungsschulen
Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen (Ersatzschulen) sind in Deutschland genehmigungspflichtig (Art. 7 Abs. 4 S. 2 GG). Eine Ersatzschule darf also erst geöffnet werden, wenn die Behörde alle Genehmigungsvoraussetzungen geprüft hat. Andere Schulen in freier Trägerschaft, die das staatliche Angebot nur ergänzen (Ergänzungsschulen), müssen lediglich angezeigt werden. Eine Ergänzungsschule (z.B. Musikschule, Fahrschule, Nachhilfeinstitute) darf sofort nach der Anzeige betrieben werden. Die Schulbehörde kann nur reaktiv eingreifen und den Schulbetrieb untersagen, wenn hierfür ein gesetzlicher Grund besteht.
Für Eltern aus einem staatskritischen oder -feindlichen Umfeld dürfte aber gerade die Gründung einer Ersatzschule attraktiv sein, da sie auf diese Weise vermeiden können, dass ihr Kind eine staatliche Schule besuchen muss.
Scheitern Reichsbürger-Schulen an den Genehmigungsvoraussetzungen des Grundgesetzes?
Die Voraussetzungen für die Gründung einer Ersatzschule sind im Grundgesetz (Art. 7 Abs. 4 GG) abschließend aufgezählt. Sie darf unter anderem in ihren Lehrzielen nicht hinter staatlichen Schulen zurückstehen. Eine Ersatzschule muss also – trotz pädagogischer oder weltanschaulicher Besonderheiten bei den Lehrmethoden – im Wesentlichen die gleichen Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln wie eine staatliche Schule.
Typisch für die Reichsbürgerszene ist die Ablehnung der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und der Glaube, dass deren Gesetze und Verwaltungsakte nicht wirksam seien. Eine Schule, die solche falschen Vorstellungen etwa im Politik- oder Gemeinschaftskundeunterricht lehrt, vermittelt nicht dieselben Kenntnisse wie eine staatliche Schule. Wenn Schulleitung und Lehrkräfte also ihre Gesinnung offenlegen und in den Unterricht einfließen lassen, erfüllt die Privatschule hinsichtlich ihrer Lehrziele nicht die Genehmigungsvoraussetzungen. Das würde genauso für die Verbreitung anderer Verschwörungstheorien gelten, bei denen zum Beispiel gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnisse abgelehnt werden (Chemtrails, flache Erde usw.).
Ordnungsrecht und Privatschulfreiheit
Das Recht, eine freie Schule zu gründen und zu betreiben, wird nicht nur durch die im Grundgesetz formulierten Genehmigungsvoraussetzungen beschränkt. In den Schulgesetzen der Bundesländer sind häufig weitere Anforderungen geregelt. Diese haben einen allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen bzw. ordnungsrechtlichen Charakter. Darunter fallen auch Vorschriften zur „Zuverlässigkeit“, „Geeignetheit“ oder „Verfassungstreue“ von Schulleitern oder Lehrkräften.
In Nordrhein-Westfalen heißt es etwa:
Eine Ersatzschule darf nur errichten, betreiben oder leiten, wer die Gewähr dafür bietet, dass sie oder er nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt und die persönliche Zuverlässigkeit besitzt.
§ 101 Abs. 5 SchulG NRW
In Baden-Württemberg:
Die obere Schulaufsichtsbehörde kann Personen eine Tätigkeit als Schulleiter oder Lehrer an einer Ersatzschule untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die sie für die Ausübung einer solchen Tätigkeit ungeeignet erscheinen lassen.
§ 8 PSchG BaWü
In Sachsen:
Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn eine Schule […] von einem Schulträger, der oder dessen vertretungsberechtigten Organe die für die verantwortliche Führung erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzen, geführt wird […].
§ 5 Abs. 1 Nr. 3 SächsFrTrSchG
Zuverlässigkeit und Verfassungstreue als Bedingung für den Betrieb einer Privatschule
Wer als „Reichsbürger“ die Geltung der Rechtsordnung allgemein ablehnt und die Existenz staatlicher Institutionen leugnet, dürfte wohl kaum als geeignet und zuverlässig gelten, eine Schule zu leiten oder an ihr zu unterrichten. Es ist unter diesen Umständen nämlich zu befürchten, dass im Schulalltag ständig und systematisch Gesetze missachtet werden, die auch dem Schutz von Schülerinnen und Schülern dienen.
Wichtig ist allerdings, dass die Behörden die Versagung der Genehmigung (oder Untersagung) auf Tatsachen stützen können. Die bloße Vermutung, dass eine Person einer bestimmten Szene angehören könnte oder Ideen anhängt, reicht nicht aus.
Behörden können gegen Extremisten vorgehen…
Wird eine Schule von Personen gegründet und betrieben, die offen einer staatsfeindlichen Bewegung wie den Reichsbürgern angehören, sind Behörden berechtigt, die Genehmigung nicht zu erteilen oder die Schule zu verbieten. Hierfür wird sich in jedem Bundesland eine landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage finden lassen – im Zweifel im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht. Wenn anzunehmen ist, dass die Verantwortlichen sich generell nicht an Gesetze und behördliche Anordnungen halten werden, dürfte bei der Frage der Aufhebung der Genehmigung oder einer Untersagung der Ermessensspielraum der Behörde auf Null reduziert sein, sodass sie einschreiten muss.
…aber nur, wenn sie sie erkennen
Die praktisch bedeutsamere Frage dürfte aber sein, ob Schulen, die von Extremisten gegründet werden, von den Behörden überhaupt erkannt werden. In einem pädagogischen Konzept, das zur Genehmigung eingereicht wird, kann eine staatsfeindliche Ideologie geschickt verschleiert werden. Treten im Genehmigungsverfahren keine Auffälligkeiten hervor, kann die Behörde z.B. nach entsprechenden Verdachtsmitteilungen eine Hospitation durchführen und sich vor Ort ein Bild von Lehrkräften und Unterrichtsgestaltung machen. Stellt sich dann heraus, dass an der Schule verfassungsfeindliche Inhalte gelehrt werden oder in größerem Umfang Gesetze missachtet werden, kann und muss unter Umständen ein Widerrufsverfahren eingeleitet werden.