
Die Mitgliedschaft in einem Verein stellt für viele Menschen nicht nur eine formale Zugehörigkeit dar, sondern oft auch eine emotionale Verbindung zu einer Gemeinschaft. Deshalb ist es besonders schwerwiegend, wenn ein Verein ein Mitglied ausschließt. Doch nicht jeder Vereinsausschluss hält einer rechtlichen Überprüfung stand. In einer aktuellen Entscheidung hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm nun klargestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Ausschluss unwirksam ist und welche formellen und materiellen Anforderungen dabei beachtet werden müssen (OLG Hamm, Beschluss vom 06.01.2025 – 8 W 36/24).
Ausschluss wegen Untätigkeit gegenüber Kritik am Verein?
Im vorliegenden Fall hatte ein Verein ein Mitglied ausgeschlossen, weil diesem vorgeworfen wurde, nicht gegen Äußerungen in einem eine angeblich vereinskritische Online-Forum eingeschritten zu sein. In dem Forum fand ein Austausch über sportliche Themen, aber auch über die Belange des Vereins statt. Der Vorstand warf dem Mitglied vor, gegenüber den kritischen Äußerungen untätig geblieben zu sein, ohne diese im Einzelnen zu benennen.
Der Vereinsvorstand beschloss den Ausschluss aus dem Verein und teilte dem Mitglied dies mit. Allerdings gab es Unklarheiten bei der formellen Umsetzung:
- Die Ausschlussentscheidung wurde vom Vereinsvorstand getroffen, aber nur von der ersten Vorsitzenden unterzeichnet.
- Dem ausgeschlossenen Mitglied wurde nur eine sehr kurze Frist zur Stellungnahme (wenige Tage) gewährt.
- Der Verein sah in seiner Satzung eine vereinsinterne Einspruchsmöglichkeit vor. Diese wurde zwar gewährt, jedoch hatte das Einspruchsgremium die Entscheidung erst nach über zehn Monaten getroffen und stützte sie auf neue Tatsachen, ohne dem Mitglied hierzu rechtliches Gehör zu gewähren.
Das ausgeschlossene Mitglied klagte vor Gericht auf Feststellung, dass der Ausschluss unwirksam sei und es weiterhin Vereinsmitglied bleibe.
Rechtliche Fragestellungen
Das OLG Hamm hatte sich bei seiner Entscheidung mit diesen Fragen zu beschäftigen:
1. War der Ausschluss formell rechtmäßig?
- Durfte die Ausschlusserklärung allein durch die erste Vorsitzende abgegeben werden?
- War die Anhörungsfrist für das betroffene Mitglied angemessen?
- War das vereinsinterne Einspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden?
2. Lag ein ausreichender Grund für den Ausschluss vor?
- War das betroffene Mitglied tatsächlich verpflichtet, gegen Äußerungen der „H. Community“ einzuschreiten?
- War es zulässig, dass das Einspruchsgremium neue Tatsachen berücksichtigte, ohne das Mitglied dazu anzuhören?
Entscheidung des Gerichts
Das OLG Hamm erklärte den Ausschluss für unwirksam.
1. Formelle Mängel:
- Die Ausschlusserklärung hätte nicht allein von der ersten Vorsitzenden unterzeichnet werden dürfen, da laut Satzung eine gemeinsame Vertretung durch mindestens zwei Vorstandsmitglieder erforderlich war.
- Die Anhörungsfrist von nur wenigen Tagen war unangemessen kurz und verletzte das rechtliche Gehör des betroffenen Mitglieds.
- Die vereinsinterne Einspruchsentscheidung wurde unzulässig verzögert (über zehn Monate) und dem Mitglied hätte zu den neuen Tatsachen eine erneute Stellungnahme ermöglicht werden müssen.
2. Materielle Mängel:
- Es wurde nicht ausreichend dargelegt, inwiefern das Mitglied tatsächlich gegen vereinskritische Äußerungen in dem Online-Forum hätte einschreiten müssen.
- Kritische Meinungsäußerungen sind, auch von Vereinsmitgliedern, sind grundsätzlich hinzunehmen, auch wenn sie sich gegen das Verhalten von Vereinsorganen (Vorstand etc.) richten.
Das Gericht bestätigte somit die Entscheidung der Vorinstanz und legte die Verfahrenskosten dem Verein auf.
Generelle Bedeutung des Urteils für Vereine
Die Entscheidung des OLG Hamm zeigt exemplarisch die Hürden eines Vereinsausschlusses auf:
- Formelle Anforderungen müssen streng eingehalten werden: Vereine sollten sicherstellen, dass Ausschlussbeschlüsse korrekt kommuniziert und unterzeichnet werden. Eine unzulässige Vertretung kann zur Unwirksamkeit der Entscheidung führen.
- Anhörungsfristen müssen angemessen sein: Mitglieder müssen ausreichend Zeit haben, um zu einem drohenden Ausschluss Stellung zu nehmen.
- Vereinsinterne Einspruchsverfahren müssen fair ablaufen: Ein Verein darf eine Entscheidung nicht unzulässig verzögern oder neue Tatsachen einbringen, ohne dem betroffenen Mitglied Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
- Ausschlüsse müssen inhaltlich gut begründet sein: Ein Ausschluss sollte auf klaren und nachweisbaren Pflichtverletzungen beruhen. Meinungsäußerungen bzw. die Untätigkeit bei Kritik am Verein allein genügen in der Regel nicht.
Fazit
Das OLG Hamm stellt mit diesem Urteil klar, dass Ausschlüsse aus Vereinen nicht leichtfertig erfolgen dürfen. Vereine müssen sowohl ihre Satzung als auch allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze wie das rechtliche Gehör beachten. Andernfalls laufen sie Gefahr, dass ihre Entscheidungen vor Gericht keinen Bestand haben.
Für Vereinsvorstände empfiehlt es sich, Ausschlussverfahren besonders sorgfältig vorzubereiten und abzuwägen, ob ein Ausschluss tatsächlich die richtige Maßnahme ist. Andernfalls könnte der Fall – wie hier – vor Gericht enden und dem Verein am Ende hohe Verfahrenskosten bescheren.